Einleitung

PhiloWelt 5/6 ist ein neuartiges Lernmaterial für den Philosophie- und Ethikunterricht, das philosophische Alltagsprobleme verdeutlicht, zum Nachdenken anstößt und zum Verfassen von philosophischen Produkten motiviert. Die Lernenden entdecken mithilfe von fesselnden Geschichten, selbststeuerbaren Animationen und Videoclips die Welt der Moral und der Physik. Sie begeben sich auf die Suche nach dem Nichts, fragen sich, ob es moralisch o.k. sein kann, die Freiheit eines Wellensittichs einzuschränken, wägen ab, ob Kant mit seiner Pflicht zur Wahrheit immer gelten soll und diskutieren gemeinsam, ob eine Spende sinnvoll ist. Gelernt wird in einem offenen Lernsetting. Die Lese- und Schreibfertigkeiten werden schrittweise mithilfe von Wochenplänen, Lerntempoduetts und unterstützenden pädagogischen Gesprächen erweitert. 

Die Lerninhalte sind auf die Ausgangs- und Lebenssituationen von Haupt-, Real-, Gesamt- und Förderschülern angepasst. Die in der App enthaltenden Medien sind sprachsensibel, um auch denen einen Lernerfolg zu ermöglichen, die über eine schwache Lesefertigkeit verfügen. Um die Lust am Lesen zu steigern, wurden kontinuierliche Texte mit Animationen, Illustrationen und Videoclips ergänzt. Zudem sind die Einzelthemen innerhalb eines Kapitels mithilfe einer zentralen Geschichte, die eine fiktive Figur erlebt, kontextuell verbunden, sodass die Lernenden befähigt werden, die Einzelthemen in einen für sie selbst sinnstiftenden thematischen Zusammenhang zu überführen. Mit der Bearbeitung der Wochenpläne sollen die SchülerInnen lernen, verschiedene moralische Handlungsoptionen unter Berücksichtigung der eigenen Vorstellungen sowie der Ansichten einiger Philosophen, die innerhalb der Kapitel vorgestellt werden, zu bewerten lernen. PhiloWelt trägt mit seinem individualisierten Angebot zur Bildungsgerechtigkeit bei.

Ausgangslage

Aufgrund der stark variierenden Bildungsbiografien der SchülerInnen und die damit zusammenhängenden unterschiedlichen Ausgangs- und Lebenssituationen ist ein Unterricht mit konventionellen Medien für das Fach Praktische Philosophie schwer möglich, da die Lehrbuchtexte mit ihren starken Sachbezügen weder die vorhandenen Lese- und Schreibkompetenzen der heutigen Schülerschaft berücksichtigen noch die tatsächlichen lebensweltlichen Problemlagen beachten. Zudem haben SchülerInnen mit schwachen Lesefähigkeiten erhebliche Schwierigkeiten, die aneinandergereihten Themen der Schulbücher in einen für sie selbst sinnstiftenden inhaltlichen Zusammenhang zu überführen.   

Idee

Ich möchte die vorhandene Problemlage, die sich aus der Differenz zwischen den weniger sprachsensiblen Texten der Schulbücher und den Ausgangs- und Lebenssituationen der von mir unterrichteten SchülerInnen ergeben, mit einem interaktiven Lehrbuch in Form einer iPad-App lösen. Ich bin nicht nur mit schwachen Lese- und Schreibfertigkeiten meiner SchülerInnen konfrontiert, sondern auch mit Lernenden, die aufgrund ihrer Fluchterfahrung nicht durchgängig beschult wurden. Ziel meiner Unterrichtsidee ist es, alltagspraktische Fragestellungen, die in Form von vereinfachten Texten, steuerbaren Animationen sowie Illustrationen dargestellt werden, aufzugreifen sowie für die SchülerInnen in einen sinnstiftenden Zusammenhang zuführen. Im Gegensatz zu den Lehrbüchern im Fach Praktische Philosophie bietet meine iPad-App interaktive Hilfen in Form von aufgabenbezogenen Tipps, unterstützenden Videoanleitungen und thematisch anknüpfenden Animationen an. Falls SchülerInnen inhaltliche Schwierigkeiten haben, erhalten sie für jede Aufgabe einen Tipp. Gibt es bei der Anordnung der Aufgaben auf dem eigenen Arbeitsblatt methodische Probleme, so können die SchülerInnen für jedes Einzelthema ein Video aufrufen, das einen Vorschlag macht, wie das eigene Arbeitsblatt angeordnet werden kann. Ich habe beobachtet, dass SchülerInnen oft an ihren mangelnden Strukturierungskompetenzen scheitern, weil sie ohne eine Anleitung nicht wissen, wie sie ihre eigenen Ergebnisse anordnen und einem Außenstehenden verständlich machen sollen. Meine SchülerInnen verbringen viel Zeit damit, sich Gedanken über die sinnvolle Anordnung zu machen, sodass sie dadurch weniger Zeit haben, sich inhaltlich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Schreibe ich das Thema der Einzelstunde auf? Wie ordne ich die Ergebnisse meiner Erarbeitungen an? PhiloWelt verfolgt mit der Kombination von digitalen Inhalten und der Aufforderung zur Anfertigung von Lernprodukten die Idee, eine grundlegende für die Arbeits- und Berufswelt notwendige Schreibkompetenz und Lesefertigkeit auszubilden. Die vereinfachten Texte, die begleitenden Animationen und Videoanleitungen haben dabei eine entlastende sowie motivierende Wirkung. 

Verlauf

Da es sich um ein innovatives Medium handelt, das in einem offenen Lernsetting eingebettet ist, verläuft der Unterricht nicht nach dem 45 minütigen Unterrichtsrhythmus. Der Unterricht besteht nicht aus einer für alle einheitlichen Einstiegs-, Erarbeitungs- sowie einer gemeinsamen Sicherungsphase, sondern er damit beginnt, dass die SchülerInnen mit ihren Partnern das iPad vom Lehrerpult abholen. Aufgrund der experimentellen Erprobung teilen sich bisher zwei SchülerInnen ein iPad. Zwangsläufig beginnt das Duett über den Lernprozess zu sprechen, da sie aufgrund des geteilten iPads gezwungen sind, die noch zu erfüllenden Arbeiten zu koordinieren. Sie bearbeiten, besprechen und gleichen ihre Arbeitsergebnisse mit anderen Schülern ab, die ein ähnliches Lerntempo aufweisen. So entsteht eine inhaltliche sowie methodische Zusammenarbeit zwischen den informellen Lerngruppen. Ich als Lehrer unterstütze den Lernprozess, indem ich die Wochenpläne verteile, die Zwischenergebnisse kommentiere, die Tablets in der unterrichtsfreien Zeit auflade sowie pädagogische Gespräche führe. Um das Arbeiten zu erleichtern, habe ich für die unterschiedlichen Kapitel farblich gekennzeichnete Wochenpläne gestaltet, die den Schülern in Absprache einen zeitlichen Rahmen vorgeben. Zu Beginn der Unterrichtsreihe wird auf den ausgedruckten Wochenplan das Abgabedatum notiert. Innerhalb dieses Zeitraumes müssen die vier Einzelthemen mithilfe der PhiloWelt-App bearbeitet werden. Mir fällt die Rolle zu, den Lernprozess mit weiteren Hilfestellungen zu begleiten sowie die Lernfortschritte mithilfe eines Bewertungsrasters zu beurteilen. Abhängig von der Lese- und Schreibfertigkeit nehme ich Zwischensicherungen vor. Falls keine Zwischensicherungen notwendig sind, bespreche, reflektiere sowie sichere gemeinsam mit meinen Schülern die Arbeitsergebnisse zum Ende der Unterrichtsreihe ab. Aufgrund des offenen Lernsettings gibt es innerhalb der Unterrichtsreihe drei Hauptphasen. Die erste Phase besteht aus einer allgemeinen Vorstellungs- sowie Planungsphase. Sie dient lediglich dazu, verbindliche Absprachen über den weiteren Verlauf der zukünftigen Unterrichtsstunden zu treffen, da die Bearbeitung eines Kapitels einer Arbeitsbelastung von acht bis zehn Schulstunden bzw. vier Wochen entspricht. In der zweiten Phase fertigen die SchülerInnen ihre Lernprodukte mithilfe des Wochenplans eigenständig an, in der ich lediglich als Moderator sowie Lernbegleiter in Erscheinung trete. In der letzten Phase werden die Ergebnisse gesammelt sowie gesichert, um eine kontrollierte Problemlösung zu gewährleisten. Ein positiver Effekt meines Unterrichtes ist, dass meine SchülerInnen implizit lernen, das iPad verantwortungsvoll sowie sinnstiftend zu nutzen.

Innovatives

Mein interaktives Lehrbuch ergänzt mit den selbsterstellten schülerorientierten Texten, selbststeuerbaren Animationen sowie Illustrationen das konventionelle Philosophielehrbuch. Es soll SchülerInnen mit geringeren Lese- und Schreibkompetenzen zur Bearbeitung von philosophischen Fragestellungen und zur Erstellung von Schreibprodukten motivieren. Im Gegensatz zu den konventionellen Lehrbüchern des Faches Praktische Philosophie begleiten die SchülerInnen innerhalb einer ganzen Unterrichtsreihe fiktive Figuren, die alltagspraktische Probleme zu lösen haben. So taucht im Kapitel „Tiere als Mit-Lebewesen“ ein Mädchen auf, das sich nicht entschließen kann, ein Wellensittich zu kaufen, weil es Schwierigkeiten hat, ihr persönliches Vergnügen über das Interesse des Tieres zustellen. Da auf der gegenüberliegenden Seite der Zoohandlung das internationale Treffen der Philosophen stattfindet, kommt es ungewollt mit Norbert Hoerster und Peter Singer ins Gespräch. Am Ende der Unterrichtsreihe wird das Mädchen vom Verkäufer angesprochen, ob es den Wellensittich nun kaufen möchte oder nicht. Ziel meiner App ist es, die in der Geschichte dargestellten Handlungsoptionen unter Berücksichtigung der eigenen Vorstellungen und den Ansichten bekannten Philosophen zu bewerten. Meine App bietet den Schülern ein interaktives Lernerlebnis an.